Positive Erfahrungen mit Büchern sammeln

Positive Erfahrungen mit Büchern sammeln

Unter Omas Bettdecke schlüpfen und Bücher anschauen. Das gehörte zu den Ferien wie die Wiese, die Sonne und die Kühe hinter Omas Zaun.

Da gab es Nilpferd Flora, A-Hörnchen und B-Hörnchen, die drei Stanisläuse und Dornröschen … Mit Oma unter einer Decke stecken, frühmorgens, noch im Nachhemd, und nicht gleich aufstehen müssen. Einfach gegen den Kopfpolster gelehnt, eng aneinander gekuschelt im Bett sitzen und die auf der Bettdecke ausgebreiteten Bücher ansehen. 

Später dann der Kater Schnurr mit den blauen Augen, das war dann schon in Graz, nachdem Oma in die Stadt übersiedelt war und ich gerade mein erstes Schuljahr hinter mir hatte. „Eine Seite du, zwei Seiten ich“, lautete das Motto. Eine Seite musste ich selbst lesen, dann las Oma mir vor. 

Bücher waren in meiner Familie immer sehr wichtig. Aber nirgendwo waren Bücher so schön wie bei Oma. Denn meine Oma hatte Zeit. Zeit, mit mir unter die Decke zu kriechen und die Geschichten lebendig werden zu lassen. Und wehe, sie vergaß beim Vorlesen einen einzigen Satz oder wollte gar mein Lieblingsmärchen kürzen! Ich kannte die Texte in den Bilderbüchern auswendig. Und manchmal „las“ ich meiner Oma vor – lange bevor ich tatsächlich lesen konnte. 

Hätte ich ohne meine Oma dieselbe Liebe zu Büchern entwickelt? Das lässt sich im Nachhinein schwer sagen. Ich bin jedoch der festen Überzeugung: Nur wer mit Büchern schon früh positive Erfahrungen gemacht hat, wird sie lieben.

Lesen lernen 

Stellen wir uns ein Kind vor, das gerade das Lesen erlernt.
Ist es ein Kind, das bei Büchern ans gemütliche  Kuscheln und an spannenden Geschichten denkt? Oder ist es ein Kind, das noch keinerlei positive Erfahrungen mit Büchern machen durfte? Wenn diese fehlen, wird das Kind mit dem Medium Buch nur eines verbinden: „O verflixt, ich muss es schaffen, die Buchstaben zu Worten zu verbinden, sonst bekomme ich bestimmt Schelte.“

Zu Beginn macht das Lesen noch große Mühe. Manche Kinder lernen schnell, andere quälen sich ziemlich lange. Das kann selbst Kindern passieren, die Bücher bisher immer liebten. 
Ich selbst kann mich noch gut an mein erstes Schuljahr erinnern – wie mühsam es anfangs war, die Buchstaben aneinanderzureihen.
Zum Glück hatte ich meine Oma. „Eine Seite du, zwei Seiten ich“.
Oma blieb stets geduldig, selbst wenn ich mich bei ein und dem selben Wort zehn Mal verlas.
Nach den ersten Mühen erlernte ich das Lesen aber schnell, und in der zweiten Klasse war ich dann schon eine richtige Leseratte. Was wohl auch daran lag, dass ich mir in der Bücherei meine Bücher selbst aussuchen durfte.

Als Pädagogin habe ich jedoch auch Kinder kennen gelernt, die aus Familien kamen, in denen niemand lesen konnte oder in denen sich niemand für Bücher interessierte. Manche Eltern haben ihren Kindern unbewusst sogar vermittelt, dass Bücher Zeitverschwendung sind. Diese Kinder tun sich mit dem Lesenlernen besonders schwer – denn ihnen fehlen die positiven Erfahrungen, die es braucht, damit Kinder so richtig motiviert sind.  
Wenn Eltern sich mit dem Lesen schwer tun, haben auch Kinder oft Angst, es nicht zu erlernen. (In diesem Fall können Lesepat*innen Wunder wirken.)
Wenn Eltern Bücher nicht mögen, kann es leicht sein, dass sie dem Kind unbewusst vermitteln, dass Lesen sowieso fad ist. Dann müssen Kinder selbst drauf kommen, dass Bücher auch Spaß machen können (und seien wir mal ehrlich: Schulbücher machen selten Spaß, und die kurzen Texte im ersten Lesebuch sind meist ziemlich langweilig).
Noch schlimmer aber finde ich es, wenn Eltern ihre Kinder ständig kritisieren. Angst ist bekanntlich der schlechteste Lehrmeister überhaupt.

Leseverständnis

Wie gut ein Kind laut vorliest, hat wenig damit zu tun, ob es den Inhalt eines Textes versteht oder nicht. Es gibt Kinder, die wahre Leseratten sind, aber beim lauten Lesen plötzlich ins Stottern geraten.
Andere Kinder wieder lesen ziemlich flüssig vor, aber konzentrieren sich überhaupt nicht auf das Gelesene.
Deswegen sollte man Kinder das Gelesene immer auch in eigenen Worten nacherzählen lassen bzw. ihnen Fragen zum Text stellen.  (Mit dieser Übung beginnt man sowieso schon am besten bei den ersten Bilderbüchern.)

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